Deckname „Biber“


Gefangene schufteten am „Biber“

von Konrad Bludau



Durch die Organisation Todt sollte noch 1944 zwischen Bedburg und Glesch ein gewaltiger Bunkerbau unter dem Decknamen „Biber“ entstehen. Der Bunkerbau wurde im Herbst 1944 durch das Vorrücken der amerikanischen Truppen verhindert.

Geplant war ein oberirdisch gefertigter Kuppelbau mit einer Länge von 400 m und einer Breite von 85 m. Die Gesamthöhe war auf 32 m angesetzt. Daraus hätte sich eine Fertigungsfläche von 110.000 qm ergeben. Das Kuppeldach sollte von gewaltigen Betonstützen getragen werden. Der gesamte Kuppelbau war sechsstöckig vor allem unterirdisch geplant. Zur Tarnung sollte das 5 m dicke Kuppeldach mit Kies und Erde aufgefüllt werden.

Die Größenordnung des geplanten Bunkers lässt sich durch Angaben eines Schreibens der Fa. Dyckerhoff erahnen. Monatlich sollten 45000 Tonnen; also täglich 1200 Tonnen Baumaterial benötigt werden.

Aus Neuwied sollten 2000 t Kohlen und 7000 t Zement kommen, die Firma Tubag sollte 1000 t Kohle und 5000 t Portlandzement liefern.

Biber Foto: Rundschau Erftkreis

Der Standort des Bunkers lag günstig in der Nähe der damaligen Sandgrube von Wilhelm Notbohm /Vogel in Verlängerung der Bergheimer Strasse in Bedburg. Hier befinden sich heute das Klärwerk und weiter auf Glesch zu die stillgelegten Klärteiche der Zuckerfabrik Bedburg. Die Gruben waren sogar mit Bahnschienen bis an die Reichs-Eisenbahn in Bedburg angeschlossen

Umstritten war der Zweck des Bunkers. Stadtarchivar Uwe Depcik recherchierte, dass Hitler gegen Kriegsende forderte, dass die Rüstungsindustrie bombensicher in der Erde zu vergraben ist, um vor Luftangriffen geschützt zu sein. Im April 1944 befahl er den den sofortigen Bau von sechs großen Rüstungsbunkern. In Bedburg sollten u.a. Zulieferbetriebe für den Flugzeugbau sowie Betriebe für die Elektro- und die Kabelbauindustrie entstehen. Vorgesehen waren offenbar 40 kriegswichtige Betriebe.

Allein von der Größe her hätte man mit einer eingebauten Abschussrampe Raketen der V2 abschießen können.

Nach Angaben des OT-Leiters (OT= Organisation Todt) Xaver Dorsch sollte der Bunker für Industriezweige, den Flugzeugbau und nicht zuletzt als Luftschutzbunker dienen.

Die Organisation Todt (OT) war eine paramilitärische Bautruppe im nationalsozialistischen Deutschland, die den Namen ihres Führers Fritz Todt (1891–1942) trug. Die 1938 gegründete Organisation unterstand ab März 1940 diesem auch als Reichsminister für Bewaffnung und Munition (RMfBM) sowie dem Nachfolgeministerium unter Albert Speer. Sie wurde nach Beginn des Zweiten Weltkrieges vor allem für Baumaßnahmen in den von Deutschland besetzten Gebieten eingesetzt. Bekannt wurde sie durch den Ausbau des Westwalls, den Bau der U-Bootstützpunkte an der französischen Küste sowie des „Atlantikwalls“ (verbunkerte Artillerie- und Verteidigungsstellungen). Ab 1943 baute sie die Abschussrampen der V1 - und V2 Raketen. Im Sommer 1943 folgte im Reichsgebiet der Ausbau von Luftschutzanlagen für die Zivilbevölkerung und die Unterverlagerung von Industriebetrieben. In der Organisation kamen seit Kriegsbeginn vielfach Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge zum Einsatz.

Als Vorbild sollte das Projekt „Weingut“ sein. Unter dem Decknamen „Weingut“ sollte in Süddeutschland (Mühldorfer Hart) eine gigantische Bunkeranlage für den Bau des Strahlflugzeuges „ME 262“ entstehen.

Fritz Todt kam nach einem mysteriösen Flugzeugabsturz 1942 in der Nähe des Führerhauptquartiers bei Rastenburg/Ostpreußen um sein Leben.

Nach der Übernahme der OT durch Speer und auf Weisung Hitlers wurde sie 1943 neu organisiert. Die für den Raum Bedburg federführende Einsatzgruppe erhielt den Decknamen „Hansa“ mit Sitz in Essen.

Baubeginn in Bedburg war im Juni 1944. Dieses geht aus einem Bericht hervor, den der OT-Leiter Xaver Dorsch für die Alliierten im Jahre 1947 erstellt hat.

Die Leitung in Bedburg wurde dem NSDAP Mitglied Dr. Meyer aus Bedburg übertragen. Der Zeitzeuge Franz Inden berichtet, daß Herr Dr. Meyer bei der Aufsicht streng durchgegriffen hat.

Arbeiten dieses Ausmaßes erforderten eine große Anzahl von Arbeitern. Hierzu wurden etwa 4000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter eingesetzt. Die Arbeitskräfte wurden in Lagern untergebracht. Davon ein bewachtes Zeltlager in Bedburg, vermutlich in der Nähe des Johannes Wäldchens (Johannesstrasse /Bergheimer Strasse) sowie ein weiteres Lager in der Talstrasse bei den Linoleumwerken und in der Nähe bei Glesch.

In einem Schreiben der Stadtverwaltung Bedburg an den Kreissonderhilfsausschuß des Landkreises Burgdorf über die Erfassung von Haftentschädigungsangelegenheiten wurde mitgeteilt, dass Anfang 1944 die OT ein größeres Bauvorhaben in Bedburg in Angriff genommen hat, bei dem mehrere tausend Zwangsarbeiter beschäftigt wurden.

Nach umfangreichen Listen, die nach dem Krieg von belgischen Suchoffizieren erstellt und in Arolsen zentral zusammen geführt wurden, ging hervor, das in Bedburg folgende Lager bestanden haben:

  1. Lager Zuckerfabrik Bedburg (französische, russische und polnische Kriegsgefangene während der Rüberkampagne).
  2. Zivilarbeiterlager in Bedburg (Ukrainer für Aufräum- und Instandsetzungsarbeiten, Lagerhalter Adolf Müller, Friedhofstrasse).
  3. Kriegsgefangenenlager in Frauweiler , später Rath (insgesamt ca. 90 Polen, Russen und Franzosen).
  4. Ausländerlager Zivilarbeiter, Bedburg, Bezirk Köln, der Reichsbahn Bedburg (1943 - 1945 ca. 400 Personen). Aufgeschlüsselt in Ostarbeiter, Polen, Holländer. Bewacht durch den Bahnschutz Düren. Verteilt auf die Fabrikgebäude der Rheinischen Linoleumindustrie, der Bedburger Wollindustrie, der Gaststätte Fikentscher (Neußer Strasse), der Schule in Kirdorf.
  5. OT-Lager Bedburg (ca.2000 Personen). Darunter Holländer, Franzosen, Belgier, Italiener, Ukrainer und Polen. Die Bewachung erfolgte durch die OT.
  6. Kriegsgefangenenlager Bedburg Broich (insgesamt ca. 50 Franzosen und Polen).
  7. Zivilarbeiterlager Bedburger Wollindustrie. Etwa 100 Personen, vorwiegend Ukrainerinnen.

Den Berichten zufolge waren einige Lager eingezäunt und wurden von bewaffneten Posten der OT bewacht.

Vereinzelt kam es zu Misshandlungen einzelner Gefangener. Die Insassen wurden stets geschlossen unter Bewachung zur Baustelle geführt.

Trotz strenger Verbote kam es zu Kontakten mit der Zivilbevölkerung. Manchmal wurden Nahrungsmittel gegen Werkzeug ausgetauscht. Die Lagerarbeiter mußten täglich 12-13 Stunden arbeiten. Sie erhielten keinen Lohn und nur unzureichende Verpflegung. Die Arbeitsbedingungen waren hart. Es gab keine geeignete Arbeitskleidung. Die private Kleidung oder die Uniform mußte durch Reparaturen zusammengehalten werden.

Ein zur damaligen Zeit jugendlicher Zeitzeuge berichtet, dass sie oftmals aus Glesch über die Erft zum Russenlager, das direkt unterhalb der Baustelle in die Hügel gegraben war, gelaufen sind und dort Rüben, Obst und ähnliche Nahrungsmittel abgelegt haben. Dafür standen anderntags Schaufeln und anderes Werkzeug als Austausch bereit. Zudem tauschten Russen oftmals selbstgebasteltes Spielzeug aus Draht oder Holz gegen Nahrungsmittel.

Der Zeitzeuge Di Carlo berichtet in diesem Zusammenhang, daß er eine Decke geschenkt bekam, aus der er eine Jacke zurecht nähte. Da dieses Stückwohl sehr gut gelungen war, bekam er von deutschen Aufsehern und Mitarbeitern der OT den Auftrag, noch weitere solcher Jacken herzustellen.

Die Überreste des Bunkerbaues bestanden bis ins Jahr 1974, bis sie endgültig durch die Braunkohleförderung abgebaggert wurden.
Quellennachweis:
Bunkerbau in Bedburg von Uwe Depcik
Aufnahme Rundschau Erftkreis
Stand 2020