Der merowingische Gau, das Land westlich der Erft, ist seit dem Jahr 898 [1] nachweisbar und konnte sich als Gauverband bis in die Mitte des 16. Jh. halten.

Ein Großteil der Orte des früheren Landkreises Bergheim lagen auf dem Gebiet des ehemaligen Kützgau. Den Historikern gibt der Kützgau bis heute noch viele Rätsel auf.

von Heinz-Toni Dolfen

Die Gaue



Als die Merowinger im 5. Jh. die Hoheit über die linksrheinischen Gebiete errangen teilten sie das Gebiet, das Herzogtum Ripuarien, in Grafschaften auf. Der Aufbau der Grafschaften erfolgte vermutlich aus den befestigten Städten heraus, dort wo die Grafen saßen. Die ältesten Grafensitze waren in Bonn, Zülpich, Trier wahrscheinlich auch in Köln.

Zuerst unterteilten die Merowinger ihr Gebiet in Dukate. Dukat ist ein Verwaltungsbezirk der unter der Kontrolle eines Dux (Anführer, Herzog) steht. Diese Bezirke wurden weiter in Gaue (pagi) unterteilt.

Mitte des 9. Jh. löste sich das Herzogtum auf, zurück blieben die Grafschaften. In einer Urkunde aus dem Jahr 866 ist erstmals nicht mehr von „ducatus“ (Herzogtum) die Rede, sondern man wählt nun den Begriff „pagus ripuarensis“ (Gau).
Die Merowinger

Die Herkunft der Merowinger liegt im Dunkeln. Erst ab dem 5. Jahrhundert sind sie belegbar. Sie sind Teil der Franken. Durch Siege über die Römer und Unterwerfung der fränkischen Kleinkönige stiegen sie zum herrschenden Geschlecht im Rheinland auf. Mitte des 8. Jahrhunderts wurden sie von den Karolinger abgelöst.


bild Gaue um das Jahr 1000 (Quelle: historischer Atlas aus dem Jahr 1886)

Die merowingische Grafschaft „Ripuarien“, erstreckte sich von der Erftmündung bei Neuss bis nach Bonn und umfasste fünf frühmittelalterliche Gaue. Es waren die Gaue Bonngau, Eifelgau, Jülichgau, Kölngau und Zülpichgau.

Der Jülichgau wird bereits im Jahr 867 als Bestandteil der Grafschaft „Ripuarien“ erwähnt, mit der Angabe „in pago Riboariense in comitatu Juliacense“.

Bekannt ist der Kölngau indirekt seit dem Jahr 825, durch die Nennung des Grafen Emundus von Friesheim, erstmals schriftlich genannt im Jahre 864. Aus diesem Gau heraus entstanden der Nievenheimer Gau (796 bereits erwähnt), der Gillgau (seit 962 belegt) und wahrscheinlich der Kützgau. Der Kützgau muss bereits vor 898 entstanden sein, da er in diesem Jahr erstmals schriftlich belegt ist. Manche nehmen an, dass er ein Untergau des Kölngau war, andere vermuten ihn als Teil des Jülichgau. Zwischen dem Kützgau und dem Gillgau lagen noch die Dingstühle der Herrschaft zu Bedburg und zu Büsdorf und Auenheim, später gehörte alles zu Bedburg.

Die Herren des Jülichgau und des Kölngau bestimmten über Jahre die Geschicke an der mittleren Erft.

Ripuarien
ist ein Teil von Rheinfranken.

Es wurde als Provinz und mal als Herzogtum bezeichnet. Es umfasste die linksrheinische Umgebung von Köln mit Zentrum Köln.

Erstmals genannt wurde Ripuarien im 7. Jahrhundert in einem Gesetzestext, in der Lex Ripuaria.



Gauverwaltung



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Jeder Gau wurde von einem Grafen verwaltet. Das Grafenamt bekam oft derjenige, der das größte Eigentum in diesem Gau hatte. Es war erblich und blieb so im Familienverbund.

Der Graf verwaltete den Gau alleine, einen Verwaltungsapparat gab es nicht. Wobei verwalten nicht das richtige Wort ist, der Graf war Beauftragter des Königs und nahm dessen Interessen war. Zudem war er der Anführer eines Heerbanns, also aller freien und waffenfähigen Grundbesitzer. Er hielt dreimal im Jahr Gerichtssitzungen ab, bei Bedarf auch weitere, bei dem er den Vorsitz hatte. Er sprach jedoch nicht recht sondern Schöffen.



Cuzzihgeuue, der Kützgau



bild Kützgau

Das Gebiet des Kützgaus erstreckte sich von Kirdorf am Finkelbach bis nach Manheim im Süden, in Ost-West-Richtung von der Erft bis nach Elsdorf-Esch. Der Mittelpunkt des Kützgaus war der Ort Kutzde; das kirchliche Zentrum lag anscheinend in Kirdorf mit der Kirche St. Willibrord, die als älteste Kirche im Kützgau gilt. Festgelegte Grenzen gab es im Kützgau nicht. Diese änderten sich bei Vererbung oder bei Verkauf von Landflächen sowie bei Wandel auf administrativer Ebene (Vogteirechte usw.) immer wieder.

Die Gebiete beiderseits der Erft waren vorherrschend Königsgüter. Der Kützgau dürfte Teil eines größeren Königsguts (Fiscus) gewesen sein. Dafür sprechen auch die anzutreffenden Grundherren (St. Pantaleon, St. Gereon, Kloster Echternach); alle mit Bezug zu Königshäusern. Auffallend ist auch, dass viele Orte mit „–dorf” enden, was auf eine strukturierte fränkische Besiedlung deutet.

Der Kützgau wird erstmals zu Pfingsten, am 4. Juni 898, erwähnt. König Zwentibold von Lothringen schenkte dem Damenstift Essen, der Äbtissin Wikburg zu Essen, Güter im Cuzzihgeuue (Kützgau). Dabei wurden die Orte Kirdorf, Zieverich, Manheim, Kutzde und Desdorf genannt. Es wurde auch Gleuel genannt, das jedoch im Kölngau lag. Schon damals konnte man die Orte anscheinend nicht richtig zuordnen, umso schwieriger ist es heute eine Abgrenzung vorzunehmen.

Gundherren
Ein Grundherr war in der Regel ein Angehöriger der ersten zwei Stände: des Adels oder des Klerus. Er war nicht nur Grundeigentümer oder Inhaber einer Pacht mit Verfügungsgewalt über das Land, sondern übte zumeist mit entsprechenden Verwaltern auch weitreichende Verwaltungs- und Gerichtsfunktionen aus.
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Vogteirechte
Der Vogt (Sachverwalter), als Vetreter des Landesherrn, herrscht und regiert in seinem Gebiet. Er hat den Vorsitz im Landgericht. Alle im Machtbereich des Vogtes stehen unter seinem Schutz, den er gewährleisten muss. Die Institution der Vogtei erlaubt dem Vogt auch Einfluss über geistlichen Güter zu behalten.
bild König Zwentibold
 
Zuerst waren es einheimische Edelfreie (von Harff, von Bohlendorf, von Holtrop und andere), die die Herrschaft über die Ländereien im Erftgebiet ausübten. Einige Geschlechter starben aus, andere Edelfreie wurden zu Ministerialbeamten in Diensten von noch mächtigeren Edlen. Über Erbschaft, Verkauf oder Verpfändung kam der Grundbesitz in andere Hände. Ab dem 13. Jh. bestimmten dann die Kölner und Jülicher das Geschehen im Erftgebiet.

Einige vermuten, dass der Kützgau Teil des Kölngau war. Man begründet das aufgrund einer Urkunde aus dem Jahr 1148. In dieser Urkunde wurden 15 Morgen Land in Desdorf an ein Kloster namens Rode übertragen. Beteiligt war hier der Graf Adolf von Saffenberg, der als Graf im Kölngau geführt wurde. Er war zudem der Gerichtsherr des Gerichts „in der Lohe“ im Kützgau. Diese Doppeleigenschaft spricht für diese Vermutung.

Ein weiterer Hinweis ist die Zugehörigkeit des Kützgau zur Grafschaft Hülchrath. Die Grafen von Kleve-Hülchrath hatten Geldnot und verkauften deshalb Gebiete. Im Kaufvertrag vom 12. Juni 1314 kaufte Heinrich von Virneburg (Heinrich II), Erzbischof und Kurfürst von Köln, von Dietrich Luf von Kleve für 30.000 Mark die Grafschaft Hülchrath. Der Kützgau ging dabei zum Großteil an Jülich und die Herren von Bedburg konnten sich Teile vom Kütz- und Gillgau sichern. Im Kaufvertrag wurde erwähnt, dass die Ortschaften Angelsdorf, Berrendorf, Brockendorf, Elsdorf, Heppendorf und Niederembt im Kützgau lagen und an den Graf Gerhard von Jülich verpfändet waren. Da sie nie ausgelöst wurden, blieben sie bei den Jülicher Herrschern.





Die Gerichte



bild Gaugericht

Die Grundherrschaft war im Mittelalter mit der Gerichtsbarkeit verbunden. Die Entstehung der Gerichte ist kompliziert und kann nicht immer eindeutig nachvollzogen werden. Viele Orte im Kützgau gehörten zu dem Gericht „in der Lohe“. Dieses Gericht umfasste die Dörfer Ahe, Angelsdorf, Brockendorf, Desdorf, Elsdorf, Eschermühle, Giesendorf, Heppendorf, Kutzde, Niederembt, Reuschenberg, Stammeln, Widdendorf, Wüllenrath und die Hälften von Thorr und Zieverich.

Die Gerichtsstätte lag einer Urkunde von 1369 zufolge bei Thorr. Noch bis ins Jahr 1525 gibt es ein nachweisbares Gerichtssiegel. Die Gerichtsstätten mussten für alle gut erreichbar sein und unter freiem Himmel tagen. Ein zentraler Punkt hierfür ist auf der Tranchot-Karte zwischen Grouven und Thorr auszumachen und könnte eventuell die Gerichtsstätte gewesen sein. Westlich von Thorr gab es die Flurnamen „auf der Lohe“ und „Lohkaul“ und heute noch „In der obersten Loh“.

Dem Gericht „in der Lohe“ stand 1148 der Graf von Saffenberg vor. Im Kützgau gab es mehrere Dingstühle (Gerichtsstätten) beziehungsweise Orte, die einem anderen Dingstuhl als dem „in der Lohe“ zugeordnet wurde. Als der Freie Erlefried (Ehrenfried) seinen Hof in Brockendorf der Abtei Kerpen verkaufte und dessen Tochter den Carsilius, Sohn des Werner von Kerpen, heiratete, wurde Carsilius auch Vorsteher des Gerichts bei Angelsdorf (1130)

bild Vermutliche Lage des Gerichts „in der Lohe“

Die Orte Kirdorf, Blerichen und Kleintroisdorf unterstanden der Gerichtsbarkeit der Herren von Reifferscheid in der Unterherrschaft Bedburg, dessen Dingstuhl „am Lindenstock“ in Auenheim lag. Ab ungefähr dem Jahr 1317 gehörten die Dörfer Zieverich und Thorr zum Gericht der Stadt Bergheim, weil die Jülicher ihre Besitzungen anders organisierten.



Die Grundbesitzer



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Der größte Grundbesitzer im Kützgau war das Stift Essen. Im Jahr 1339 verzeichnete das Essener Stift an der Erft 131 Güter mit insgesamt bis zu 1.383 Morgen Land und fünf Mühlen. Diese Güter lagen in Ahe, Berrendorf, Blerichen, Brockendorf, Desdorf, Elsdorf, Giesendorf, Glesch, Haldenich, Kirdorf, Kütz, Manheim, Niederembt, Ohndorf, Paffendorf, Stammeln, Widdendorf, Wüllenrath und Zieverich. Als das Stift in finanzielle Schwierigkeiten geriet, verkaufte es seinen Hofverband Kutzde, den es später im Jahr 1261 von dem Ritter Volkmar de Stessa zurückkaufen konnte. Kutzde gehörte zur Pfarrei Paffendorf.

Der Pfarrer und Schultheiß zu Paffendorf, der Essener Kanoniker Johann von Ohndorf pachtete einen Hof in Kutzde vom Essener Stift für jährlich 171 Malter Weizen. Dieser Hof wurde im Jahre 1376 auf 12 Jahre und für nur 70 Malter Weizen an Hildebrand von Berrendorf weiter verpachtet. Wie aus den Urkunden hervorgeht hatte Hildebrand von Berrendorf den Hof schon vorher einmal gepachtet.

Das Benediktinerkloster St. Pantaleon zu Köln mit Besitzungen in Angelsdorf, Desdorf, Elsdorf, Esch und Oberembt war ein weiterer Grundbesitzer. Dieses Kloster hatte enge Verbindungen zu den ottonischen Herrschern. Gründer des Klosters St. Pantaleon war Erzbischof Bruno, der Bruder von Kaiser Otto I (912-973). Hieraus sowie aus der Schenkung Königs Zwentibold leitet man ab, dass im Kützgau sich Königsgut befunden haben muss.



Cuccide, der Ort



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In der Schenkung von König Zwentibold von Lothringen im Jahr 898 wird der Ort im Kützgau Cuzzide genannt. Später wird er Kutzde oder Kützde genannt, danach nur kurz Kutz oder Kütz. Der Ort lag südlich von Grouven Richtung Widdendorf.

Wie er ausgesehen hat, weiß man nicht, da nie eine ausführliche Grabung stattgefunden hat. Keramik, die man dort fand, datiert in die Merowingerzeit (400- 750 n. Chr.). Es wurde infolge von Oberflächenbeobachtungen vermutet, dass der Ort aus mehreren Höfen (Hofverband) bestand. Gestützt wird dies dadurch, weil Kutzde im Besitz von mehreren Grundeigentümern war, die jeweils ihre Höfe dort hatten.

Von Paffendorf aus verwaltete das Essener Stift zwei Güter im Kützgau, unter anderem auch das unbekannte Wolfshoven (in der Aufzeichnung Valveshoven genannt). Wolfshoven könnte ein Teil von Kutzde gewesen sein in Anlehnung an den Wolfskopf im Elsdorfer Wappen. Der Wolfskopf leitet sich vom Wappen der Herren von Kutzde ab (Urkunde vom 28. August 1393, Emmerich und Gumprecht von Kutzde).

Weshalb und wann Kutzde verschwand ist nicht geklärt. Seit der Mitte des 16. Jh. gibt es keinen schriftlichen Hinweis mehr. Ob der Ort im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) unterging und nicht mehr aufgebaut wurde oder durch Abbruch der Höfe seitens der Grundherren verschwand ist Spekulation. Heute noch gibt es den Flurnamen „Am Kützerpfad”, „Kützer Fußfall“ sowie das „Kützer Kreuz“ und in Berrendorf die „Kutzerstraße“.

Der Name Kutzde ist schwer zu deuten. Eine Möglichkeit ist, dass das Wort Kutz aus dem lateinischen curtis, also Hof, entstanden ist und somit auf eine römische Ansiedlung weist. Andere vermuten hinter dem Wort Kutz das mitteldeutsche Wort für Flachs (kute). Das läßt vermuten, dass hier früher Flachs angebaut wurde, was übrigens nicht unüblich war in unserer Gegend.

[1] Eine Urkunde des Bischofs Kunibert von Köln, aus dem Zeitraum nach 648, nennt zwar ein Ort "Cuzide", jedoch ist nach wissenschaftlicher Meinung diese Urkunde verfälscht.


Literatur



Andermahr, Heinz Beiträge zu Jülicher Geschichte
Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein Erster Jahrgang, Erstes Heft 1855
Aubin, Hermann Die Entstehung der Landeshoheit nach niederrheinischen Quellen
Aubin, Hermann Die Weistümer der Rheinprovinz
Buhlmann, Michael Essen und Werden: Zu den Anfängen und zur mittelalterlischen Geschichte zweier geistlicher Gemeinschaften
Heldmann, Karl Dr. Der Kölngau und die Civitas Köln
Hoischen, Christoph Die Gemeinde Elsdorf
Kirchhoff, Hans Georg Prof. Dr. Mittelalter an Erft und Gillbach
Steinbach, Franz Prof. Dr. Frechen - Zur Geschichte einer rheinischen Gemeinde
Landkreis Bergheim 150 Jahre Landkreis Bergheim



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